Die elektronische Patientenakte - gläserne Patient*innen?
- Sara Grzybek
- Köln
Was genau ist die elektronische Patientenakte?
Die elektronische Patientenakte (ePA) wird ab Februar 2025 für alle gesetzlich Versicherten in Deutschland eingeführt.
Dieses digitale System soll die Gesundheitsversorgung modernisieren, indem es medizinische Daten zentral speichert und den Austausch zwischen Patient*innen und Gesundheitsdienstleistern erleichtert.
Die Nutzung der ePA ist freiwillig; wer nicht teilnehmen möchte, kann der Einrichtung widersprechen.
Hinweis: Zur besseren Auffindbarkeit in Suchmaschinen wurde vorerst die Bezeichnung dieser Akte im generischen Maskulinum übernommen.
Die Vorteile der elektronischen Patientenakte
Verbesserter Informationsaustausch: Die ePA ermöglicht es Ärzt*innen, Apotheken und anderen Gesundheitsdienstleistern, schnell und unkompliziert auf relevante Gesundheitsdaten zuzugreifen. Dies kann die Behandlungsqualität erhöhen und Verzögerungen reduzieren.
Vermeidung von Doppeluntersuchungen: Durch den zentralen Zugriff auf bereits vorhandene Untersuchungsergebnisse können unnötige Wiederholungen vermieden werden, was Zeit spart und die Belastung für Patient*innen verringert.
Erhöhte Medikamentensicherheit: Die ePA enthält einen elektronischen Medikationsplan, der hilft, Wechselwirkungen und Fehlmedikationen zu verhindern. Dies ist besonders in Notfällen von Vorteil, da behandelnde Ärzt*innen sofort über aktuelle Medikationen informiert sind.
Einfacherer Arztwechsel und Zweitmeinungen: Bei einem Wechsel des behandelnden Arztes oder beim Einholen einer Zweitmeinung stehen alle relevanten Gesundheitsdaten zur Verfügung, was den Prozess erleichtert und beschleunigt.
Nachteile und (mögliche) Risiken der elektronischen Patientenakte
- Datenschutz und Datensicherheit: Trotz hoher Sicherheitsstandards besteht das Risiko von Datenlecks oder Cyberangriffen. Die zentrale Speicherung sensibler Gesundheitsdaten könnte bei unzureichendem Schutz zu unbefugtem Zugriff führen. Es bleibt auch da abzuwarten inwieweit eine entsprechende Sicherheit gegeben werden kann.
Komplexität der Nutzung: Für einige Patient*innen, insbesondere ältere oder weniger technikaffine Personen, kann die Handhabung der ePA herausfordernd sein. Dies könnte den Zugang zu den eigenen Gesundheitsdaten erschweren.
Mögliche kommerzielle Nutzung von Gesundheitsdaten: Es besteht die Sorge, dass Gesundheitsdaten für kommerzielle Zwecke genutzt werden könnten, insbesondere wenn Kooperationen mit großen Technologiekonzernen angestrebt werden.
- Stigmatisierende Diagnosen: Wenn sensible Daten, wie HIV-Status, psychische Diagnosen oder Angaben zur sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität, leicht zugänglich sind, könnten sie diskriminierend interpretiert oder missbraucht werden.
- Vorurteile im Gesundheitswesen: Ärzt*innen und andere Gesundheitsdienstleister könnten durch den Zugriff auf Vorabinformationen voreingenommen handeln, was die Qualität der Behandlung beeinträchtigen könnte (z. B. bei dickeren Menschen Vorannahmen über Lebensstil).
- Datenweitergabe: Auch wenn Patient*innen die Datenfreigabe kontrollieren können, besteht die Sorge, dass in Notfallsituationen Daten ohne explizite Zustimmung eingesehen werden könnten.
- Outing-Gefahr: Für queere Menschen oder Menschen mit HIV besteht das Risiko, unfreiwillig geoutet zu werden, wenn Dritte (z. B. Arbeitgeber*innen oder Versicherungen) unbefugt Zugang zu Daten erhalten. Dies kann in Umfeldern mit geringer Akzeptanz schwerwiegende soziale Konsequenzen haben.
- Ungleichheit beim Zugang: Menschen mit Behinderungen oder ältere Menschen könnten aufgrund mangelnder Barrierefreiheit Schwierigkeiten haben, die ePA zu nutzen. Beispiele sind eine nicht barrierefreie Benutzeroberfläche oder fehlende Unterstützung bei der Einrichtung.
- Technikaffinität und Ressourcen: Menschen in sozioökonomisch benachteiligten Gruppen könnten weniger Zugang zu den notwendigen technischen Geräten oder Know-how haben, um die ePA effektiv zu nutzen.
- Erhöhte Versicherungsprämien: Wenn private Zusatzversicherungen Zugriff auf Gesundheitsdaten verlangen (mit Zustimmung der Versicherten), könnten Informationen über chronische Erkrankungen, psychische Diagnosen oder Behinderungen zu höheren Kosten oder Ablehnungen führen.
- Angst vor Datenmissbrauch: Für Menschen, die Diskriminierung gewohnt sind, kann die Existenz einer umfassenden Datenbank zusätzliche Stressoren verursachen. Das Gefühl, überwacht oder bewertet zu werden, könnte psychische Belastungen verstärken.
- Fehlendes Vertrauen in das System: Viele marginalisierte Gruppen haben ein geringes Vertrauen in Institutionen, insbesondere im Gesundheitswesen. Die ePA könnte das Misstrauen verstärken, wenn die Nutzung als erzwungen oder intransparent empfunden wird.
- Unzureichende Aufklärung: Marginalisierte Gruppen könnten unzureichend über ihre Rechte bei der Nutzung der ePA informiert werden. Dies betrifft insbesondere das Recht, Daten freizugeben oder zu löschen.
- Missachtung individueller Präferenzen: Wenn ärztliches Personal ohne Sensibilität für queere oder behinderte Patient*innen arbeitet, könnten individuelle Gesundheitsbedürfnisse ignoriert werden – verstärkt durch voreilig eingesehene Informationen.
Widerspruchsrecht und Nutzung der ePA
Die Teilnahme an der ePA erfolgt nach dem “Opt-out”-Prinzip: Versicherten wird automatisch eine ePA eingerichtet, sofern sie nicht aktiv widersprechen. Die Krankenkassen sind verpflichtet, ihre Mitglieder über diese Möglichkeit zu informieren. Allerdings wurde kritisiert, dass die Informationen der Krankenkassen oft einseitig sind und mögliche Nachteile der ePA nicht ausreichend beleuchten.
Fazit zur elektronischen Patientenakte
Die elektronische Patientenakte bietet mehrere Vorteile, wie einen verbesserten Informationsaustausch und eine erhöhte Medikamentensicherheit. Damit könnte eine verbesserte Gesundheitsversorgung ermöglicht werden.
Gleichermaßen wirken nicht alle Vorteile der ePa automatisch für alle Patient*innen. Es bräuchte eine feingliedrigere Datenfreigabe, welche Informationen für sichtbar sind. Weiterhin braucht es immer noch eine allgemeine Sensibilisierung in der Gesundheitsversorgung für einen verantwortungsvollen Gebrauch der verfügbaren Daten. Wenn wir diese Daten haben, braucht es gleichermaßen eine regelmäßige Prüfung und Optimierungen der Sicherheitstandards. Bei der ePa muss auch sichergestellt werden, dass diese für behinderte Menschen, ältere Menschen als auch sonstige Personengruppen leicht zugänglich ist.