Wie schaffe ich sensibilisierten Umgang mit Patient*innen?

- Ein Leitfaden - 

 

Diskriminierungssensibler Umgang mit Patient*innen ermöglicht allen Menschen gesundheitliche Hilfe aufzusuchen. Dieser Leitfaden soll als Anstoßstein dienen, damit sich Ärzt*innen und Therapeut*innen kritischer mit ihrer Arbeit auseinandersetzen.

Dabei geht es um den Umgang mit Patient*innen, über die Gestaltung der eigenen Praxis hin bis zum Eigenengagement außerhalb der Arbeit. 

Inhaltsverzeichnis

Wie gendere ich respektvoll und inklusiv

Inklusives gendern beinhaltet das inkludieren von Menschen unterschiedlicher Eigenidentifikationen und kann in Schriftform  über das Gendersternchen stattfinden:

Patient*innen, Ärzt*innen, Therapeut*innen

Auf diese Weise können mehr Menschen im gesprochenen oder geschriebenen Wort inkludiert werden als beim generischen Maskulinum oder dem allgemeinen Verwenden von binären Bezeichnungen. Die Verwendung des generischen Maskulinums ist im Grunde auch eine Form des Genderns.  Im Gegensatz dazu wird die Verwendung von neutralen Begriffen entgendern genannt.  
 
Beispiele für geschlechtsneutrale Begriffe:
 
  • Studierende
  • Mitarbeitende 
  • Fachkräfte

Beim Sprechen kann ebenfalls die Doppelnennung verwendet werden. Außerdem kann eine kurze Pause beim Erreichen des Gendersternchens gemacht werden (also Patient – Pause – innen). Das ist in der deutschen Sprache schon bei vielen anderen Wörtern sehr geläufig und nennt sich Glottisschlag. So wird auch beispielsweise beim Wort “Spiegelei” eine Pause zwischen Spiegel und Ei gemacht. Beim Gendern funktioniert es genau gleich. 

Falls eine genderneutrale nicht möglich ist, empfehlen sowohl der Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. als auch die Überwachungsstelle des Bundes zur für Barrierefreiheit von Informationstechnik das inklusive Gendern mit Gendersternchen. 

Warum ist das wichtig?

 

Nur die männliche Form (“generisches Maskulinum”) zu verwenden ist immer noch die gängige Art in unserem Sprachgebrauch. Damit werden aber > 50 % der Bevölkerung ausgeklammert und nicht aktiv miteinbezogen. Studien belegen, dass wesentlich stärkere männliche Bilder im Kopf erzeugt werden, wenn nur das Maskulinum verwendet wird. Werden sowohl weibliche als auch männliche Form verwendet, bildet das viel mehr die Realität der Gesellschaft ab. Sprache schafft Realität, daher ist es wichtig allen Menschen auch den Platz in unserer Sprache einzuräumen. In einem Artikel der Website der Uni Saarland wird genauer erläutert, welche Möglichkeiten es gibt, Sprache neutraler und inklusiver zu gestalten.

Fest steht: Gendern ist Übungssache. So ungewohnt es am Anfang sein mag, schon nach kurzer Zeit fühlt es sich sehr normal an und schafft einen viel bewussteren Umgang mit Sprache. Dieser Leitfaden soll auch nur ein Hilfsmittel dafür sein, sich mit der eigenen Sprache auseinander zu setzen. Weitere Informationen findest du beispielsweise in diesen Büchern: 

Thema Suchmaschine:

Gerne wird als Gegenargument für Gendern auf der Website die schlechtere Auffindbarkeit über Suchmaschinen genannt. Viele geschlechtsneutrale Begriffe und Begriffe mit Gender-Symbol (wie *, :, _) haben im Vergleich zu aktuell noch geläufigeren Begriffen eine “bessere Auffindbarkeit”, wenn man diese auf der Website verwendet. Suchmaschinen sind aber durch Menschen gefüttert.

Mittlerweile haben diese auch das Gendern erkannt und verstehen teilweise schon sehr gut, dass es Begriffe mit der Nutzung von Gendersternchen etc. gibt. Zeitlich bedingt sind die Begriffe, vor allem die im generischen Maskulinum häufiger in Verwendung, dementsprechend tauchen bei männlich konnotierten Berufsbezeichnungen die häufigsten Suchergebnisse auf. Deshalb werden auch weiblich konnotierte Berufsbezeichnungen vergleichsweise schlechter gefunden. 

 

Symbolbild Wortwahl

Diese Thematik zu Umgehen ist unter anderem auch möglich, indem sich mensch auf die Praxis und den Fachbereich bezieht: Praxis für Dermatologie, Praxis für Zahnmedizin usw…

Durch das gesellschaftliche Verständnis und der Wichtigkeit der Inklusion ist es eine Aufgabe für jede einzelne Person, bei sich selbst anzufangen. Denn durch die Anpassung der Sprache lernen Suchmaschinen mit und es ist kein “Verlust” zu befürchten.

Wie sind die Inhalte auf meiner Website und anderen Online-Kanälen präsentiert? 

Die Sprache und Bilder, die ich auf der Praxiswebsite verwende, können einen Einfluss darauf nehmen, wie ich von Patient*innen wahrgenommen werde. 

Neben den davor genannten Punkte zur Sprache gehören auch die visuelle Präsentation zum Eindruck der Praxis. Welche Menschen sind abgebildet und in welcher Weise? Wird im schlimmsten Fall Tokenism betrieben? 

Wie informiere ich Patient*innen über die Zugänge zur Praxis?

Das sind alles Fragen, die sich im Zuge der Selbstreflektion stellen können.

Wie kann ich ein Ally sein? 

Zur kurzen Erklärung: 

Ein Ally ist ein*e Verbündet*e, die sich den eigenen Privilegien bewusst ist und andere Menschen, die nicht diese Privilegien teilen, unterstützen möchte. 

Das Ausmaß der Unterstützung kann unterschiedlich ausfallen. 

Vermerke ich auf meiner Website, dass alle Menschen willkommen sind (und nicht nur “mitgemeint” sind)? Habe ich vielleicht einen Pride-Sticker oder anderer Gruppen an der Praxistür oder im Eingangsbereich? Lege ich Info-Materialien aus, die Lebensrealitäten außerhalb der weißen heteronormativen Realität ausreichend präsentieren?

Warum ist das wichtig?

Das explizite Präsentieren von bekannten Symbolen der LGBTQIA*, aber auch anderen Communities, das gleiche gilt für Infomaterialien, können aussagekräftige Zeichen sein, dass in einer Praxis die Wahrnehmung und das Interesse für eine inklusive Arbeit da sein kann. Das kann eben durch explizite Nennung und durch Symbole wie Sticker, Regenbogenfahnen etc. gezeigt werden. Aber auch eben Infomaterialien von Beratungsstellen, die ebenfalls Community-Arbeit leisten. Zusätzlich bringt das für Patient*innen mehr Sicherheit, dass sich diese bei Ihnen so zeigen können, ohne Angst vor bewusster oder unbewusster Diskriminierung.

Wie ist meine Praxis gestaltet?

Ist meine Praxis ein Ort an dem sich alle wohlfühlen können? Biete ich zum Beispiel geschlechtsneutrale Toiletten? Achte ich als gynäkologische Praxis darauf, nicht nur cis Frauen* anzusprechen? 

Barrierefreiheit:

  • Ist meine Praxis erreichbar für Menschen mit visueller Beeinträchtigung oder wenn sie bspw. auf einen Rollstuhl angewiesen sind? 
  • Gibt es Orientierungshilfen für blinde- und sehbehinderte Menschen? 
  • Wenn der Eingang der Praxis über Stufen verfügt: Gibt es die Möglichkeit, eine Rampe anzulegen oder können explizit Hausbesuche angeboten werden, wenn die Praxis nicht erreicht werden kann? 
  • Ist die Website unter dem Aspekt der nutzer*innenfreundlich gestaltet? Ist die Website mit einem Screenreader lesbar? 

Cis ist das Gegenteil von Trans*. Cis Personen sind also alle, die sich mit dem zugewiesenen Geschlecht identifizieren.

Nicht-binär ist eine Geschlechtsidentät und kann benutzt werden, wenn man sich weder mit dem männlichen noch weiblichen Geschlecht identifiziert. Daneben existieren noch viele weitere Geschlechtsidentitäten (Agender, genderfluid, genderqueer, …). Mit welchem Geschlecht man sich identifiziert, ist immer eine Eigendefinition. 

Behandlung & Körperlicher Kontakt

Für viele Menschen ist der körperliche Kontakt, vor allem bei fremden Menschen, mögen es auch Behandler*innen sein, sehr problematisch. Durch negative Erfahrungen mit bisherigen Behandler*innen, Erfahrungen von (sexualisierter) Gewalt oder Körperdysphorie kann es sein, dass bestimmte Patient*innen sehr empfindlich auf bevorstehende Berührungen reagieren. 

Es ist deshalb empfehlenswert als Behandler*in, vor allem bei körnernahen Untersuchungen die in der Zahnmedizin, Gynäkologie, Urologie oder Physiotherapie, den*die Patient*in vor jeglicher körperlicher Berührung zu informieren. Fragen, ob bestimmte Berührungen ok sind und ob aktuell bestimmte Körperareale gegebenenfalls ausgelassen werden können. Idealerweise auch im Vorgang der Untersuchung schrittweise verbal zu erklären, was untersucht wird und ggf. warum. Consent zwischen Behandler*in und Patient*in ist essenziel. 

Bilde ich mich und mein Praxisteam (falls vorhanden) regelmäßig weiter?

Wie gehe ich respektvoll und sensibel mit Personen um? Die deutsche Aidshilfe hat 2018 eine Video-Reihe zu den unterschiedlichen Erfahrungen von trans* Personen und Personen mit internationalem Hintergrund in Praxen veröffentlicht.

https://youtube.com/playlist?list=PLuH6iwplsOSKA0TGDp4pKdAM7wx7howVu

In diesen Videos werden mithilfe von nachgespielten Szenen gezeigt, welche Mikroaggressionen bei einem Besuch einer Praxis auftauchen und welche Sorgen die betroffenen Patient*innen umtreibt. Genau dies spiegelt wieder, was sensible und respektvolle Ärzt*innen und Therapeut*innen in ihrem eigenen Umgang mit Patient*innen vermeiden sollten.

Fachlich                                                                                                           

Nehme ich an Fachveranstaltungen teil, um mich in medizinischen Bereichen,  welche für die bestimmte Personengruppen (Queer Community, BIPOCs, AHDS…) besonders relevant wären, weiterzubilden? 

Online gibt es eine große Bandbreite an Veranstaltungen, vor allem kritische ASta-Gruppen werben auf den sozialen Medien zu Veranstaltungen zu relevanten Themen bspw. “Gendern in der Medizin”. Gleichzeitig gibt es deutschlandweit verschiedene Weiterbildungsstätten. 

Persönlicher Umgang

Beschäftige ich mich mit dem Thema in meinem privaten Umfeld? Wie spreche ich in meinem eigenen Umfeld über die Interessen der LGBTQIA*-Community? Gehe ich auf die Mikroaggressionen anderer Menschen ein? Greife ich ein, wenn ich Diskriminierung anderer Menschen vor mir sehe? Spreche ich mit Personen aus der Community, lese ich Bücher, die die Thematik behandeln und habe mich kritisch mit meinem eigenen Verhalten auseinander gesetzt? Vor allem in großen Städten gibt es immer mehr Kurse oder Veranstaltungen zum sensibilisierten Umgang mit Menschen. 

Für Psychotherapeut*innen

Habe ich mich in Richtung sexueller und/oder geschlechtlicher Identität oder zum*zur Sexualtherapeut*in fortgebildet? 

Wie stelle ich Praxispersonal ein? Achte ich darauf, ein diverses Team aufzubauen? 

Fragen, die Du dir beim erstellen von Stellenausschreibungen und für die Präsentation auf der Website stellen solltest: 

Sind meine Stellenausschreibungen merkmalsneutral?

Sind meine Stellenausschreibungen merkmalsneutral (“junges Team”, “Deutsch als Muttersprache”, “agiles Team” usw.)? Gewisse Beschreibungen können bestimmte Menschengruppen davon abhalten, überhaupt eine Bewerbung abzugeben, weil sie sich nicht in der beschriebenen Gruppe sehen.

Achte ich in der Stellenbeschreibung auf eine diverse und inkludierende Beschreibung?

Achte ich in der Stellenbeschreibung auf eine diverse und inkludierende Beschreibung? Gibt es Berufsbezeichnungen, die genderneutral verwenden werden können? Weise ich auf die mittlerweile sehr verbreitete Variante von (m/w/d) hin? Achte ich darauf, dass sich keine Personengruppe durch meine Stellenausschreibung ausgeschlossen fühlt? Gibt es auch die Möglichkeit, anonymisierte Bewerbungen (Ohne Name, Alter, Foto) abzuschicken?
 

Persönliche Weiterbildung

 Wünsche ich, dass potenzielle Bewerber*innen auch sich bereits selbst mit dem Thema auseinandergesetzt haben? Frage ich dies in einem Bewerbungsgespräch ab? Wie bereite ich ein Bewerbungsgespräch vor?

 

Präsenz

 Wie präsentiere ich mich selbst und ggf. das Praxisteam auf der Website? Mehr Informationen findet ihr hier in einem Leitfaden zum diskriminierungsfreien Einstellungsverfahren der Antidiskriminierungsstelle der Bundesrepublik Deutschland

Setze ich mich für die politischen Interessen der LGTBQIA*- und anderen Communities ein?

Zum einen kann ich an Veranstaltungen teilnehmen, die sich um die LGBTQIA*-Community kümmern (CSD/Pride Parade mit politischen Diskussionen, Online-Veranstaltungen von großen Organisationen wie dem LSVD/der HOSI usw.). Habe ich Ressourcen, um eigene Veranstaltungen zu organisieren? Kann ich regelmäßig an eine Organisation spenden, um deren Arbeit innerhalb der LGTBQIA*-Community zu unterstützen? 

Darüber hinaus kann ich mich dafür einsetzen, dass Initiativen oder Gesetzesänderungen zugunsten der LGTBQIA*-Community durchgeführt werden (Bspw. Transsexuellengesetz, Adoptionsrecht, Erbrecht, Vereinfachung von Blutspenden…). 

 

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