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Online-Beratung für
Geflüchtete mit Pena.ger

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Wer oder was ist Pena.ger? Seit wann gibt es Pena.ger?

Sozial- und Rechtsberater*innen und Aktivist*innen aus Oldenburg und Umgebung haben ein bundesweites Online-Beratungsangebot für Geflüchteten auf Kurdisch, Englisch, Deutsch und Türkisch gegründet. Pena.ger versucht, Ratsuchende vor allem in Bezug auf die örtliche Struktur zu unterstützen, da sie diese oft nicht kennen. Die Tätigkeit umfassen Asylverfahrensberatung und die Bereitstellung von Orientierungshilfen. Die Initiative erreichen Fragen wie beispielsweise: „Was bedeutet Dublin-Verfahren?“,  „Wie ändere ich meine Adresse beim BAMF?“ , „Wo kann ich zur Migrationsberatung? oder „Wie bereite ich mich als queerer Mensch auf eine Anhörung vor?“

Pena.ger hat sich Mitte Dezember 2023 gegründet und bis dato mehr als 1300 Menschen beraten und unterstützt. Dies geschieht nach Feierabend und unentgeltlich.

Pena.ger verweist auf die Verbindung von zwei kurdischen Wörter pena (Schutzort/Hilfe) und ger (Suche/Suchender). Angelehnt ist das zusammengesetzte Wort auch an penaber für Geflüchtete. Für diesen Namen wurde sich entschieden, um auf jemanden hinzuweisen, der Schutz sucht oder Hilfe benötigt.

Wieso habt ihr einen Grund gesehen, euch zu einer Gruppe zusammen zu tun? Was ist eure Entstehungsgeschichte?

Die Bundesregierung hat dem Abriss des europäischen Asylrechts zugestimmt. Durch eine Änderung des „Gemeinsamen Europäischen Asylsystems“ ist das internationale Asyl- und Geflüchtetenrecht faktisch abgeschafft worden. Geflüchtete sollen für ihre Flucht und für ihr Recht auf ein würdevolles Leben bestraft werden. Zudem kommen die menschenverachtenden Haushaltskürzungen im Migrationsbereich dazu, da dadurch die zivilgesellschaftlichen Unterstützungen abnehmen und erschwert werden. Wenn die Antwort auf die deutsche Migrationsgesellschaft Haushaltskürzungen der Bundesregierung im Bereich der Migrationsberatung ist, dann ist unsere Antwort – Basisorganisierung. Und aus dieser Basisorganisierung ist pena.ger entstanden. 

Pena.ger ist auch entstanden nach dem Tod von Hogir Alay. Sein verwester Leichnam wurde am 4. November hinter der Turnhalle des Geflüchtetenlagers im rheinland-pfälzischen Kusel erhängt aufgefunden. Der 24-jährige Kurde hatte sich wegen der miserablen und menschenunwürdigen Behandlung in der Unterkunft für Geflüchtete an das BAMF, an die Übersetzer:innen der Einrichtung und die Ausländerbehörde gewandt, die aber allesamt sein Anliegen weder ernst nahmen noch weiterleiteten und übersetzten und damit ihrer Pflicht zur Hilfe und Unterstützung in keiner Weise nachkamen. Der schreckliche Fall von Hogir Alay wirft für die Familie, Freund*innen und die Öffentlichkeit viele offene und ungeklärte Fragen auf und macht schmerzlich deutlich, wie wichtig eine empathische und gute Beratung sowie Betreuung ist.

Wie seit ihr aufgestellt? Was für Menschen/ Wie viele Menschen stehen hinter Pena.ger?

Das Kernteam von Pena.ger sind vier Berater*innen, bei einigen Anliegen oder Fragen werden Rechtsanwält*innen oder Aktivist*innen hinzugezogen.

Welche Menschen unterstützt Pena.ger und wie unterstützt ihr sie?

Aufgrund fehlender Strukturen und nur begrenzt verfügbarer kurdischsprachiger und sensibilisierter Berater:innen liegt der Fokus des Online-Beratungsangebotes Pena.ger insbesondere auf niedrigschwelliger Verweisberatung in Deutsch, Englisch, Kurdisch und Türkisch.

Kurd:innen, Ezid*innen, queere Menschen, LGBTQIA+, behinderte Menschen sind auf unterschiedlichen Ebenen besonders vulnerabel und unsichtbar. Umso wichtiger ist es, ihnen Anlaufstellen und Angebote in ihrer Sprache zu ermöglichen. Wir versuchen, Ratsuchende vor allem in Bezug auf die örtlichen Strukturen zu unterstützen, da diese ihnen oft nicht vertraut sind. Die Tätigkeiten umfassen Asylverfahrensberatung sowie die Bereitstellung von Orientierungshilfen und mehr.

pena.ger Symbolbild
Credits: Pena.ger

Was sind die größten Hürden bei eurer Arbeit?

Verschärfte politische Rahmenbedingungen für Geflüchtete erschweren auch die Beratungssituation, was zu steigender Belastung, Verzweiflung, Wut und Hilflosigkeit führt. In den herausfordernden Beratungssituationen aufgrund der restriktiven Migrationspolitik ist es wichtig, den Ratsuchenden gegenüber ehrlich zu sein und klarzustellen, dass Pena.ger beispielsweise keine Abschiebung verhindern kann. Gleichzeitig kann Pena.ger durch die Bereitstellung von Informationen über Rechte, Solidaritätsstrukturen und weiteren Anlaufstellen Unterstützung bieten. Pena.ger kann den Ratsuchenden helfen, mit diesen Belastungen umzugehen und Wege zur Bewältigung zu finden.

Die positiven Erfahrungen und Erfolge im Beratungskontext erkennen wir an, um die eigene Motivation aufrechtzuerhalten und Pena.ger weiter auszubauen, um noch mehr Menschen helfen zu können. Auch wir sind diesen Belastungen ausgesetzt.

Unsere Persönlichkeit ist ein zentrales Arbeitsinstrument, wir erkennen unsere eigenen Grenzen an und gehen achtsam mit uns um. Abschließend halten wir fest, dass der Umgang mit Lohnarbeit und Freiwilligenarbeit nicht nur auf individuelle Ebene betrachtet werden soll. Wir streben parallel institutionelle und politische Veränderungen an. Mal sehen…

Was sind eure Ziele bei eurer Arbeit bei Pena.ger?

Unsere Ziele ist es in erster Linie Ratsuchende und ihre Anliegen zu klären sowie sie über Rechte in den bereits genannten Tätigkeitsfeldern aufzuklären. Darüber hinaus ist ein weiteres Ziel, Multiplikator*innen sowie diverse Beratungsstellen über unser Angebot zu informieren und zu sensibilisieren, sodass sie unser Angebot in ihren jeweiligen Städten und Region weiter vermitteln können. Ferner suchen wir Sprachmittler*innen, die die Institutionssprache Deutsch sprechen und zusätzlich entweder Kurdisch (alle Dialekte), Türkisch, Farsi oder/und Arabisch sprechen; auch in Form von Telefon-Sprachmittler*innen, da sich Beratungsstellen auch Unterstützung in dieser Form wünschen, weil es in vielen Orte und Regionen keine kurdischsprachigen und sensibilisierten Sprachmittler*innen gibt. Unser Ziel ist es, einen bundesweiten Pool an Sprachmittler*innen aufzubauen, um eine breitere Unterstützung in unterschiedlichen marginalisierten Sprachen zu gewährleisten. Die Koordinierung dieses Pools obliegt Pena.ger. Ob wir 1300 Menschen oder einem helfen, bei uns zählt die erfolgreiche Anbindung an Strukturen.

Es ist auch geplant, Beschwerdestrukturen aufzubauen und lokale Pena.ger-Beratungsstellen in verschiedenen Städten und Regionen zu etablieren, um eine flächendeckende Anlaufstelle für Ratsuchende zu schaffen. Dies ist angesichts zunehmender Beschwerden von Geflüchteten über innermigrantischer Rassismus und institutionelle Diskriminierung sowie der Notwendigkeit politischer und institutioneller Veränderungen von hoher Relevanz.

Pena.ger Symbolbild
Credits: Murad Ipek

Wie können andere Menschen euch und eure Arbeit unterstützen?

Wir haben viele Anfragen von Beratungsstellen sowie Initiativen und sind derzeit dabei, zusammen unsere Kooperationsstrukturen aufzubauen. Interessierte, die uns unterstützen möchten, können sich an uns wenden: Erreichbar ist das Online-Beratungsangebot auf Instagram unter @pena.ger, auf X ebenfalls Twitter @penagerr und per E-Mail unter pena.ger[@]yahoo.com. Da wir noch kein Verein sind, freuen wir uns über jede Spende.