Wie finde ich einen Therapieplatz in Deutschland?
Mentale Gesundheit in Deutschland
Mentale Gesundheit ist häufig unsichtbar. Es ist häufig nicht so visuell wie ein Beinbruch oder eine kaputte Brille. Doch sobald ein mentales Gesundheitsproblem herrscht, ist es schwierig, dieses Problem zu lösen. Oft ist es noch mit einem Stigma behaftet. Ein Mensch hätte keine starken Nerven oder wäre einfach zu schwach. Die Liste mit Vorurteilen gegenüber mentalen Gesundheitsproblem ist lang.
Doch vor allem seit der Corona-Pandemie, verbunden mit den Lockdowns ist das Thema mentale Gesundheit häufiger in die Aufmerksamkeit der Medien geraten. Gerade der Lockdown, das “Abgeschotten-sein” von Orten des öffentlichen Lebens, Kontakte pflegen, war für einige Zeit für viele Menschen nicht möglich.
Für viele Menschen waren die Wohnorte auch nicht immer sichere Orte, was sich durch die Lockdownsituationen noch verschärft hat.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat letztes Jahr eine Studie rausgebracht: Aus dieser geht hervor, dass queere Menschen deutlich häufiger unter psychischen Erkrankungen leiden als heterosexuelle Menschen. Der stetige Stress, dem queere Menschen ausgesetzt sind oder über längere Zeit waren, macht sie häufiger anfällig für Angststörungen, Depressionen oder sogar Herzleiden.
Gleichzeitig haben die geopolitischen Situationen in, um Europa und auf der Welt dafür gesorgt, dass sich viele Menschen aus ihren Ursprungsländern weiterbewegt haben, aus Angst um ihr Leben, in Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Geflüchtete sind in sehr häufigen Fällen nicht über den gleichen Weg wie beispielsweise Tourist*innen zwischen den Ländern gereist. Der Weg, den Geflüchtete hinter sich bringen mussten um in einem sicheren Land Asyl beantragen zu können ist in häufigen Fällen von traumatischen Erlebnissen durchzogen. Auch diese Menschen hatten oder haben weiterhin mit dieser zusätzlichen Belastung zu kämpfen.
Betrachtet mensch diese ganzen verschiedenen Faktoren, die mentale Gesundheitsprobleme begünstigen können, steht fest, dass es absolut notwendig ist, dass Menschen einen Therapieplatz finden, wo sie sich wohl fühlen und auf einem guten Genesungsweg sind.
Therapie in Deutschland: Wer hat Anspruch auf Therapie?
In Deutschland gibt es generell zwei Grundvoraussetzungen, Therapie in irgendeiner Form in Anspruch nehmen zu können: Über die eigene Krankenkasse oder als privatzahlende Person. Von den Krankenkassen werden neben dem stationären Aufenthalt, also dem Aufenthalt in einer Klinik oder einer Behandlung in einer Praxis mit regelmäßigen Terminen bezahlt. Sobald jemand einer Lohnarbeit nachgeht, studiert oder im Fall von Geflüchteten eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 23 Abs. 1 oder § 24, § 25 Abs. 4 S. 1 oder § 25 Abs. 5[1] AufenthG besitzen. Nach 18 Monaten Aufenthalt in Deutschland ist es möglich, wie Arbeitnehmende die Leistungen der Krankenkasse in Anspruch nehmen, wobei die Kosten vom Sozialamt geleistet werden. (Dies stellt keine rechtsverbindliche Aussage dar und sollte von fachlicher Seite aus in jedem Einzelfall rechtlich geprüft werden).
Diagnosen von psychischen Störungen könnten unter anderem sein:
- Angststörungen
- Essstörungen
- Depressionen
- Persönlichkeitsstörungen
- psychosomatische Störungen
- Süchte
- Verhaltensstörungen
- Zwangsstörungen
Dabei orientieren sich Krankenkassen und Behandler*innen in den meisten Fällen an dem ICD, aktuell in der 11. Auflage. Die internationale Klassifizierung von Krankheiten ist ein international anerkannter Katalog, welche in relativ regelmäßigen Abständen aktualisiert wird.
Privatzahlende Personen haben natürlich den Vorteil, eine deutlich größere Auswahl an Therapieplätzen zu wählen und auch Therapieformen in Anspruch zu nehmen, welche nicht von Krankenkassen bezahlt werden. Gleichzeitig muss keine Diagnose vorliegen. Solange die*er Patient*in genug Geld hat und ein*e Therapeut*in Zeit, können auch so “Therapiestunden” in Anspruch genommen werden.
Wie kriege ich einen Therapieplatz?
Die Voraussetzung ist, dass du eine*n Therapeut*in gefunden hast, bei der du in den vier probatorischen Stunden, die jeder*m Patient*in zustehen, bevor eine Entscheidung für einen Therapieantrag gestellt werden müssen. Diese vier Stunden können bei jeder*m Therapeut*in in Anspruch genommen werden. Es gibt mittlerweile viele Ansatzpunkte, dass eine positive therapeutische Beziehung ausschlaggebend für den Erfolg einer Therapie sein kann. Auf jeden Fall dürfen Patient*innen ihre Praxis frei wählen, solange in der Praxis freie Therapieplätze zur Verfügung stehen. Falls eine Diskriminierung während der Therapie stattfindet und darauf hin diese abgebrochen werden soll, steht es Patient*innen frei zu, die bisherige, die bisherige Praxis und Versorgung sofort an der Stelle abzubrechen und sich auf die Suche nach einer neuen Praxis zu machen.
Jedoch ist es auch so, dass selbst vor der Antragsstellung auf zwölf “Notfallstunden” einer Akutbehandlung zurückgreifen kann. Auf diese Stunden kann theoretisch rede Person Anspruch nehmen, bei denen ein Behandlungsbedarf sofort besteht und ein Nichteingreifen den Gesundheitszustand der Person drastisch verschlimmern könnte. Entweder reichen die Notfallstunden aus und die*r Patient*in ist stabil genug um ohne therapeutische Unterstützung weiter zu leben oder es kann als eine Art Stabilisierung vor der eigentlichen therapeutischen Langzeitbehandlung dienen.
Sobald ein*e Therapeut*in gefunden wurde, bei der du dich wohl fühlst, kannst du mit der Person über den Therapievertrag sprechen. Ab diesem Moment wäre es hilfreich, wenn du bei einer allgemeinmedizinischen Praxis nach einer ärztlichen Überweisung für eine Psychotherapie fragst. In der Regel wirst du von deiner*m Behandler*in einige Fragen zu deinem mentalen Gesundheitszustand abgefragt und erhältst im Anschluss ein Überweisungsschein für die Psychotherapie.
Was mache ich, wenn ich keinen kassenärztlichen Therapieplatz finde?
Bei der Kontaktaufnahme mit der Krankenkasse kannst du die Protokolle einreichen und mitteilen, dass du in deinem Wohngebiet kurzfristig keinen Therapieplatz finden konntest und dir deine Krankenkasse binnen einer gesetzten Frist einen Therapieplatz in deiner unmittelbaren Umgebung anbieten soll. Falls du es auch bei der Kassenärztlichen Vereinigung versucht hast, leg auch deren Schreiben bei, falls sie dir keinen Behandungsplatz vermitteln konnten.
Sobald die Frist verstrichen ist, kannst du eine*n Therapeut*in ohne Kassenzulassung aufsuchen. Dort sollte direkt geklärt werden, dass die*r Therapeut*in deine Krankenkasse kontaktiert und mitteilt, dass ein freier Therapieplatz vorliegt. Im gleichen Schritt sollte die Beantragung gemäß § 13 Absatz 3 SGB V stattfinden.
Es kann bei einer Ablehnung natürlich ein Widerspruch eingelegt werden. Auf der Website der Bundestherapeutenkammer könnt ihr ein Musterschreiben für das Kostenerstattungsverfahren finden.
Jedoch muss darauf hingewiesen werden, dass auch dieser Antrag auf das Kostenerstattungsverfahren keine Garantie auf einen Therapieplatz beinhaltet, da wiederum kein eindeutiger gesetzlicher Rückhalt vorhanden ist.
Was steht in einem Therapievertrag?
Dort können unter anderem festgelegt werden, dass gemeinsam an den Zielen gearbeitet werden unter der Voraussetzung, dass die Krankenkasse die von der*m Therapeut*in beantragten Stunden bezahlen wird. Dort steht auch, dass über eine eventuelle Verlängerung der Therapie rechtzeitig vor dem Aufbrauchen der bisherigen Stunden gesprochen wird und welche Pflichten beide Parteien bei der Zusammenarbeit haben. Folgende Punkte können auch im Therapievertrag genannt werden:
- Dass die*r Patientin zum jeden Quartal die Krankenkassenkarte vorbeibringen soll
- In welchem Turnus (bspw. 14-tägig im Voraus) die Therapiestunden terminiert werden
- Wie lange eine Therapiesitzung dauert (in der Regel circa 50 Minuten)
- Gemeinsame Regeln für eine erfolgreiche Zusammenarbeit
Therapie in Deutschland: Was gibt es für Therapieformen?
Verhaltenstherapie | tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie | analytische Psychotherapie | |
---|---|---|---|
bewilligte Therapiestunden | |||
Bei Erstantrag | 60h | 60h | 160h (80h bei Gruppentherapie) |
erste Therapieverlängerung | 80h | 100h | 300h (150h bei Gruppentherapie) |
Verhaltenstherapie
Bei dieser Therapieform geht es darum, bestimmte Verhaltensweisen und Grundeinstellungen zu erkennen und der*m Patient*in Skills mit an die Hand zu geben, damit diese*r nach erfolgreich abgeschlossener Therapie ein deutlich besseres Leben führen kann und in Zukunft auftretende Ereignisse eigenständig bewältigen kann. In der Verhaltenstherapie geht es darum oft, Probleme im aktuellen Alltag zu erkennen, im Gegensatz zur Psychoanalyse nicht zu tief und lang in den Ursachen aus der Kindheit zu analysieren, sondern die*den Patient*in zur Selbsthilfe zu begleiten. Dabei geht es häufig um Emotionen, Vorstellungen und bestimmte Sichtweisen, welche den Alltag von Patient*innen erschweren kann. Mithilfe von positiven Erfahrungen, Rollenspielen, Verhaltensübungen und vielen mehr werden Methoden in der Psychotherapie bereitgestellt, die den Gedankenprozess von Patient*innen soll. Die Auswahl der Methoden passiert immer in Abstimmung zwischen Patient*innen und Therapeut*innen und wird häufig auch im Therapievertrag schon festgelegt. Eine Methode, welche besonders häufig bei Angststörungen angewendet wird, ist die sogenannte Konfrontationstherapie:"Bei der Konfrontationstherapie werden Patienten(sic!) mit objektiv sicheren Situationen, die aber starkes subjektives Unbehagen (z. B. Angst oder Ekel) auslösen, konfrontiert bis das Unbehagen abnimmt. Bis zu den 70erJahren des 20. Jahrhunderts war Systematische Desensibilisierung die populärste Behandlungsmethode für klinische Ängste. Bei der Systematischen Desensibilisierung werden Patienten(sic!), während sie sich in einem entspannten Zustand befinden, innerhalb gedanklicher Vorstellung mit angstauslösenden Reizen konfrontiert."
Ein anderes Beispiel ist die kognitive Verhaltenstherapie: Dabei geht es weniger um das aktive Handeln der*s Patient*in als mehr um die Emotionen, Einstellungen, Gedanken und Wertungen im inneren der*s Patientin. Bei dieser Methode soll die*r Patient*in lernen, die eigenen Sichtweisen zu hinterfragen und aktiv umzugestalten.
Es kann auch immer sein, dass verschiedene Methoden angewendet werden, abhängig davon, was am hilfreichsten für die*den Patient*in in der jeweiligen Therapie ist.
tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
Bei dieser Therapieform handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Psychoanalyse, also dem Verfahren, was noch auf Sigmund Freud zurück geht. Anders als bei der Verhaltenstherapie geht es darum, aktuelle Probleme mit der Ursachensuche in der Vergangenheit zu erklären und zu lösen.
Bei der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie geht mensch davon aus, dass viele der aktuellen Verhaltensweisen und Probleme, die Menschen haben auf unverarbeitete Situationen aus der Kindheit und des Erwachsenwerdens fußen. Durch ungelöste Konflikte, nicht berücksichtige Bedürfnisse sind oftmals innere Konflikte entstanden, die bis ins Erwachsenenalter getragen worden sind und so tagtäglich das Leben mit beeinflussen. Auch, wenn es vielleicht gar nicht mehr so bewusst ist.
Durch die zeitliche Begrenzung der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie wird sich während der Therapie auf die wichtigsten Ereignisse fokussiert.
Anders als bei der Verhaltenstherapie werden bei dieser Therapieform keine Skills oder Handlungsvorschläge mitgegeben.
analytische Psychotherapie
Neben den einzelnen “Grundtherapieformen” ist es natürlich auch immer ein Vorteil darauf zu schauen, welche zusätzlichen Fortbildungen die Therapeut*innen aufweisen und mit den Therapeut*innen ganz zu Beginn direkt abklären, ob die*r Therapeut*in die*den Patient*in fachlich ausreichend unterstützen kann. Wenn beispielsweise Trauma(ta) stattgefunden haben, wäre es von einem großen Vorteil, wenn die*r Therapeut*in auch fachliches Wissen zu Traumata vorweisen kann. Dies sollte am besten direkt am Anfang geklärt werden, wobei natürlich auch sein kann, dass während der Therapie Themen aufkommen, die vielleicht zu Beginn nicht eindeutig klar waren.
Wieso gibt es so wenig Therapieplätze über Kassensitze in Deutschland?
Was ist die Therapeutische Beziehung?
Einfach formuliert benennt die therapeutische Beziehung das Beziehungsverhältnis zwischen Therapeut*in und Patient*in. Anders als bei eher selteneren Besuchen bei anderen Praxen, welche in der Regel nicht so lange dauern, finden zwischen Patient*in und Therapeut*in über einen bestimmten Zeitraum intensive Gespräche, bei denen unter Umständen Patient*innen auch sehr intime und belastende Themen besprechen möchten. Dabei ist es sehr wichtig, dass ein sicherer und diskriminierungsfreier Raum entsteht, wo sich die*r Patient*in sicher genug fühlt um bestimmte Informationen, Emotionen, Gedanken preis zu geben. Doch es gibt weitere wichtige Aspekte, die sich so zusammen fassen lassen könnten:Was ist wichtig für eine gute therapeutische Beziehung?
- Empathie
- Respekt
- Warmherzigkeit
- ethisches Verhalten
- Abstinenz in dem Sinne, keinen Vorteil aus der Beziehung mit der*m Patient*in zu schlagen
- Schweigepflicht einhalten
- notwendiges Fachwissen für das jeweilige seelische Gesundheitsproblem der*s Patient*in
Queermeds Arbeit unterstützen
Da sich in naher Zukunft die Diskriminierungserfahrungen von Menschen in Deutschland nicht von jetzt auf gleich komplett vermeiden lassen können, braucht es neben der aktiven Weiterbildung von angehenden und bereits praktizierenden Behandler*innen, Möglichkeiten, für Patient*innen mit Diskriminierungserfahrungen, diese Erfahrungen so gut es geht zu vermeiden. Mithilfe von Queermed können positive Empfehlungen mit anderen Menschen deutschlandweit geteilt werden.
Idealerweise wäre dieses Projekt nicht notwendig. Solange es aber nach wie vor viele Menschen gibt, die aufgrund von Diskriminierungen keine oder schlechte Behandlung bei gesundheitlichen Problemen erhalten, bietet Queermed einen Anhaltspunkt, um die Ärzt*innen und Therapeut*innen hervorzuheben, die jedem Mensch, unabhängig von ihrer Herkunft, ihres Aussehens, ihrer Behinderung oder sexuellen Orientierung einen Safer Space bieten.”