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Leitfaden zum sensibilisierten Umgang mit Patient*innen

Inhaltsverzeichnis

Wozu braucht es sensibilisierten Umgang mit Patient*innen?​

Unsere Gesellschaft ist vielfältig, und im Gesundheitswesen treffen Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund, verschiedenen sexuellen Orientierungen, Geschlechtern, sozioökonomischen Hintergründen, Glaubensrichtungen und körperlichen Fähigkeiten aufeinander.

Ein diskriminierungssensibler Umgang ermöglicht eine angemessene und bedarfsgerechte Versorgung für alle Patient*innen. Medizinische und therapeutische Lehrbücher haben über Jahrzehnte hinweg hauptsächlich weiße, cis-heteronormative, normschlanke, nicht behinderte Körper gezeigt. Das hat die Lehre dominiert und führt zu Missständen und Unterschieden in der Versorgung. Schließlich gibt es in der Bevölkerung viel mehr und vor allem verschiedene Menschen, als bisher in Literatur und Wissenschaft beschrieben.

Die gesundheitliche Lage und Versorgung von Menschen mit Diskriminierungserfahrungen oder Menschen aus marginalisierten Gruppen ist oft schlechter. Ein diskriminierungssensibler Ansatz kann dazu beitragen, Barrieren abzubauen und den Zugang zu Gesundheitsleistungen zu verbessern, um eine gute, angemessene Gesundheitsversorgung für alle zu gewährleisten. Ein respektvoller Umgang fördert das Vertrauen zwischen Patient*innen, Ärzt*innen und Therapeut*innen. Patient*innen fühlen sich ernst genommen und sind deshalb eher bereit, ihre Bedenken und Informationen offen mitzuteilen. Das wiederum führt zu einer präziseren Diagnose und Behandlung.

Wie sieht die gesundheitliche Lage von marginalisierten Personen aus?

Die gesundheitliche Lage benachteiligter Menschen in Deutschland ist aufgrund verschiedener Faktoren sehr unterschiedlich. Zu marginalisierten Gruppen gehören Menschen, die aufgrund von sozioökonomischem Status, ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht, sexueller Orientierung, Behinderungen oder anderen Merkmalen benachteiligt oder diskriminiert werden.

Dabei ist es wichtig zu betonen, dass Gesundheitsungleichheiten insbesondere auf strukturellen und sozialen Determinanten beruhen. Die sexuelle Orientierung spielt dabei eigentlich keine oder nur eine geringe Rolle.

Letzten Endes sind es die Umstände, in denen Menschen leben, die sie krank machen. Einige Faktoren, die die Gesundheit marginalisierter Personen beeinflussen können, sind:

Zugang zum Gesundheitssystem:

Bestimmte Gruppen haben aufgrund finanzieller sowie sprachlicher Barrieren oder aufgrund von Diskriminierung einen eingeschränkten Zugang zu Gesundheitsleistungen. Beispielsweise werden bei Kinderwunsch viele Leistungen für verschiedengeschlechtliche Paare von den Krankenkassen übernommen, nicht aber für gleichgeschlechtliche Paare.

Diskriminierung und Stigmatisierung:

Diskriminierung und Stigmatisierung können Stress verursachen, der sich negativ auf die psychische und physische Gesundheit auswirkt. Gleichzeitig können Diskriminierungserfahrungen dazu führen, dass notwendige Gesundheitsleistungen aufgeschoben oder gar nicht erst in Anspruch genommen werden, um erneute negative Erfahrungen im Gesundheitswesen zu vermeiden.

Barrieren:

Menschen mit Migrationsgeschichte erleben oft aufgrund von Sprachbarrieren, kulturellen Unterschieden und anderen Faktoren eine schlechtere Gesundheitsversorgung. Um Ungleichheiten in der Gesundheitsversorgung abzubauen, braucht es politische Maßnahmen und soziale Programme, die darauf abzielen, strukturelle Barrieren abzubauen.

Arbeitsbedingungen:

Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen oder mit unsicheren Beschäftigungsverhältnissen sind einem höheren Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Stress, Diskriminierung und schlechte Bezahlung fördern häufig psychische Gesundheitsprobleme, die Einfluss auf die physische Gesundheit haben. Ein Teufelskreis, denn psychische Belastungen beeinträchtigen die körperliche Gesundheit und umgekehrt.

Sozioökonomischer Status:

Menschen mit niedrigem Einkommen haben unter Umständen weniger Zugang zu gesundheitsfördernden Ressourcen wie guter Ernährung, Wohnraum und Bildung.

Dazu gehören Maßnahmen, die Chancengleichheit im Bildungssystem fördern, den Zugang zu Gesundheitsdiensten für alle Bevölkerungsgruppen sicherstellen und für Diskriminierung und Stigmatisierung im Gesundheitswesen sensibilisieren. Diese Sensibilisierung muss nicht nur im bestehenden Gesundheitssystem, sondern auch in der Ausbildung von angehenden Ärzt*innen, Therapeut*innen und anderen Gesundheitsberufen verankert werden.

Es ist wichtig, dass die Gesellschaft als Ganzes daran arbeitet, ein integratives und inklusives Umfeld zu schaffen, in dem alle Menschen die gleichen Chancen auf ein gesundes Leben haben. Auch Ärzt*innen und Therapeut*innen haben eine individuelle Verantwortung. Sie sollten sich fragen, was sie im Praxis- oder Klinikalltag oder in ihrem näheren Umfeld tun können, um eine langfristige Veränderung zu bewirken. Fehlt es vielleicht an regelmäßigen Fortbildungen? Oder können Forderungen gemeinsam mit anderen Ärzt*innen an die Ärzt*innenkammerngetragen werden?

Im weiteren Verlauf des Leitfadens werden dazu einige Tipps und Empfehlungen gegeben. Dies ersetzt jedoch nicht die individuelle Auseinandersetzung mit dem Thema. Mittlerweile gibt es mehrere aktuelle Studien, die eine deutliche Schieflage in der Behandlung von Patient*innen in Deutschland belegen: (WORK in PROGRESS)

Wie sind die Inhalte auf meiner Website und anderen Online-Kanälen präsentiert? 

Die Sprache und Bilder, die ich auf der Praxiswebsite verwende, können einen Einfluss darauf nehmen, wie ich von Patient*innen wahrgenommen werde. 

Neben den davor genannten Punkte zur Sprache gehören auch die visuelle Präsentation zum Eindruck der Praxis. Welche Menschen sind abgebildet und in welcher Weise? Wird im schlimmsten Fall Tokenism betrieben? 

Wie informiere ich Patient*innen über die Zugänge zur Praxis?

Das sind alles Fragen, die sich im Zuge der Selbstreflektion stellen können.

Wie ist meine Praxis gestaltet?

Ist meine Praxis ein Ort an dem sich alle wohlfühlen können? Biete ich zum Beispiel geschlechtsneutrale Toiletten? Achte ich als gynäkologische Praxis darauf, nicht nur cis Frauen* anzusprechen? 

Barrierefreiheit:

  • Ist meine Praxis erreichbar für Menschen mit visueller Beeinträchtigung oder wenn sie bspw. auf einen Rollstuhl angewiesen sind? 
  • Gibt es Orientierungshilfen für blinde- und sehbehinderte Menschen? 
  • Wenn der Eingang der Praxis über Stufen verfügt: Gibt es die Möglichkeit, eine Rampe anzulegen oder können explizit Hausbesuche angeboten werden, wenn die Praxis nicht erreicht werden kann? 
  • Ist die Website unter dem Aspekt der nutzer*innenfreundlich gestaltet? Ist die Website mit einem Screenreader lesbar? 

Cis ist das Gegenteil von Trans*. Cis Personen sind also alle, die sich mit dem zugewiesenen Geschlecht identifizieren.

Nicht-binär ist eine Geschlechtsidentät und kann benutzt werden, wenn man sich weder mit dem männlichen noch weiblichen Geschlecht identifiziert. Daneben existieren noch viele weitere Geschlechtsidentitäten (Agender, genderfluid, genderqueer, …). Mit welchem Geschlecht man sich identifiziert, ist immer eine Eigendefinition. 

Behandlung & Körperlicher Kontakt in der Diagnostik

Für viele Menschen ist der körperliche Kontakt, vor allem bei fremden Menschen, mögen es auch Behandler*innen sein, sehr problematisch. Durch negative Erfahrungen mit bisherigen Behandler*innen, Erfahrungen von (sexualisierter) Gewalt oder Körperdysphorie kann es sein, dass bestimmte Patient*innen sehr empfindlich auf bevorstehende Berührungen reagieren. 

Es ist deshalb empfehlenswert als Behandler*in, vor allem bei körnernahen Untersuchungen die in der Zahnmedizin, Gynäkologie, Urologie oder Physiotherapie, den*die Patient*in vor jeglicher körperlicher Berührung zu informieren. Fragen, ob bestimmte Berührungen ok sind und ob aktuell bestimmte Körperareale gegebenenfalls ausgelassen werden können. Idealerweise auch im Vorgang der Untersuchung schrittweise verbal zu erklären, was untersucht wird und ggf. warum. Consent zwischen Behandler*in und Patient*in ist essenziel. 

Bilde ich mich und mein Praxisteam (falls vorhanden) regelmäßig weiter?

Wie gehe ich respektvoll und sensibel mit Personen um? Die deutsche Aidshilfe hat 2018 eine Video-Reihe zu den unterschiedlichen Erfahrungen von trans* Personen und Personen mit internationalem Hintergrund in Praxen veröffentlicht.

https://youtube.com/playlist?list=PLuH6iwplsOSKA0TGDp4pKdAM7wx7howVu

In diesen Videos werden mithilfe von nachgespielten Szenen gezeigt, welche Mikroaggressionen bei einem Besuch einer Praxis auftauchen und welche Sorgen die betroffenen Patient*innen umtreibt. Genau dies spiegelt wieder, was sensible und respektvolle Ärzt*innen und Therapeut*innen in ihrem eigenen Umgang mit Patient*innen vermeiden sollten.

Fachlich                                                                                                           

Nehme ich an Fachveranstaltungen teil, um mich in medizinischen Bereichen,  welche für die bestimmte Personengruppen (Queer Community, BIPOCs, AHDS…) besonders relevant wären, weiterzubilden? 

Online gibt es eine große Bandbreite an Veranstaltungen, vor allem kritische ASta-Gruppen werben auf den sozialen Medien zu Veranstaltungen zu relevanten Themen bspw. “Gendern in der Medizin”. Gleichzeitig gibt es deutschlandweit verschiedene Weiterbildungsstätten. 

Persönlicher Umgang

Beschäftige ich mich mit dem Thema in meinem privaten Umfeld? Wie spreche ich in meinem eigenen Umfeld über die Interessen der LGBTQIA*-Community? Gehe ich auf die Mikroaggressionen anderer Menschen ein? Greife ich ein, wenn ich Diskriminierung anderer Menschen vor mir sehe? Spreche ich mit Personen aus der Community, lese ich Bücher, die die Thematik behandeln und habe mich kritisch mit meinem eigenen Verhalten auseinander gesetzt? Vor allem in großen Städten gibt es immer mehr Kurse oder Veranstaltungen zum sensibilisierten Umgang mit Menschen. 

Für Psychotherapeut*innen

Habe ich mich in Richtung sexueller und/oder geschlechtlicher Identität oder zum*zur Sexualtherapeut*in fortgebildet? 

Wie stelle ich Praxispersonal ein? Achte ich darauf, ein diverses Team aufzubauen? 

Fragen, die Du dir beim erstellen von Stellenausschreibungen und für die Präsentation auf der Website stellen solltest: 

Sind meine Stellenausschreibungen merkmalsneutral?

Sind meine Stellenausschreibungen merkmalsneutral (“junges Team”, “Deutsch als Muttersprache”, “agiles Team” usw.)? Gewisse Beschreibungen können bestimmte Menschengruppen davon abhalten, überhaupt eine Bewerbung abzugeben, weil sie sich nicht in der beschriebenen Gruppe sehen.

Achte ich in der Stellenbeschreibung auf eine diverse und inkludierende Beschreibung?

Achte ich in der Stellenbeschreibung auf eine diverse und inkludierende Beschreibung? Gibt es Berufsbezeichnungen, die genderneutral verwenden werden können? Weise ich auf die mittlerweile sehr verbreitete Variante von (m/w/d) hin? Achte ich darauf, dass sich keine Personengruppe durch meine Stellenausschreibung ausgeschlossen fühlt? Gibt es auch die Möglichkeit, anonymisierte Bewerbungen (Ohne Name, Alter, Foto) abzuschicken?
 

Persönliche Weiterbildung

 Wünsche ich, dass potenzielle Bewerber*innen auch sich bereits selbst mit dem Thema auseinandergesetzt haben? Frage ich dies in einem Bewerbungsgespräch ab? Wie bereite ich ein Bewerbungsgespräch vor?

 

Präsenz

 Wie präsentiere ich mich selbst und ggf. das Praxisteam auf der Website? Mehr Informationen findet ihr hier in einem Leitfaden zum diskriminierungsfreien Einstellungsverfahren der Antidiskriminierungsstelle der Bundesrepublik Deutschland

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