Anamnesebögen inklusiver gestalten

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Wir kennen es alle: Jedes Mal, wenn wir eine Praxis das erste Mal aufsuchen, kriegen wir es vorgelegt. Den Anamnesebogen. Einmal alle für die Praxis notwendigen Daten runterschreiben. Auch in 2023. Bisher habe ich tatsächlich nur eine einzige Praxis in meinem Leben gesehen, wo mir ein Tablet in die Hand gedrückt wurde und ich alles digital ausfüllen sollte. Aber nochmal von vorne…

Wozu braucht es einen Anamnesebogen?

Ein Anamnesebogen ist ein wichtiges Dokument, welches von Ärzt*innen und Therapeut*inenn verwendet wird, um Informationen von Patient*innen zu sammeln, die für die medizinische Diagnose und Behandlung relevand sind. Wichtig ist aber auch hier der Faktor, dass Patient*innen ihn meist alleine ausfüllen sollen. Dafür notwendig sind meist gute Deutschkenntnisse. Deshalb sollte es möglich sein, dass der Bogen eventuell gemeinsam ausgefüllt werden kann oder auch in anderen Sprachen angeboten wird. Das gesamte Ausmaß der notwendigen Informationen ist immer abhängig vom jeweiligen Fachbereich.

Was gehört in einen Anamnesebogen?

Hier ein paar Punkte, die in einen Anamnesebogen gehören können:

  • Kontaktdaten: Diese gehören standardmäßig dazu, um beispielsweise zu wissen, bei welcher Krankenkasse der*die Patient*in ist und die Kontaktdaten. Für viele Behandlende ist die Nennung der ausgeübten Lohnarbeit wichtig um für die Diagnose zu wissen, ob die Ursache auch durch Besonderheiten bei der Arbeit (Schichtarbeit, stressige Situationen usw. ) liegen könnten. Gerade wenn Praxen oder Kliniken der sensibilisierte Umgang mit Patient*innen wichtig ist, sollte darüber hinaus Felder für folgende Punkte mit aufgeführt werden:
  • Gewünschte Anrede (Vorname + Nachname oder nur Nachname, Pronomen)
  • 1. und 2. Sprache
  • Auch kann es wichtig sein, das biologische Geschlecht zu wissen, da je nach hormonellem Hintergrund Krankheitsverläufe aber auch die Medikamentenwirkung anders verlaufen können. Teilweise sind Untersuchungsgeräte auf Durchschnittswerte von binären Geschlechtern eingestellt (männlich und weiblich), was bei einer nicht bekannten Transition dazu führen kann, dass extreme Werte gemessen werden.
  • Symptome und Beschwerden: Es ist wichtig, aktuelle Symptome und Beschwerden zu notieren, idealerweise mit Dauer, Schweregrad und eventuell auslösenden Faktoren.
  • Allergien und Unverträglichkeiten: Ein Anamanesebogen sollte Informationen über bekannte Allergien und Unverträglichkeiten gegenüber Medikamenten, Nahrungsmitteln oder anderen Substanzen enthalten.
  • Familiäre Anamnese: Für Behandlende sind Informationen zur familiären Krankengeschichte wichtig, da bei bestimmten Krankheiten genetische Veranlagungen mit berücksichtigt werden müssen.
  • Lebensstil und Gewohnheiten: Der Anamnesebogen kann auch Fragen zu Lebensstilfaktoren wie Ernährung, Alkohol- und Tabakkonsum, Bewegung und Stress enthalten, da diese Faktoren die Gesundheit einer* Patient*in beeinflussen können.
  • Soziale Faktoren: Informationen über den sozialen Status, den Beruf, den Wohnort und soziale Unterstützungssysteme können ebenfalls wichtig sein, um die Gesundheit und das Wohlbefinden einer*s Patient*in zu verstehen.
  • Reise- und Expositionsanamnese: Wenn die*der Patient*in in Gebieten mit bestimmten Infektionsrisiken gereist ist oder beruflichen Risikofaktoren ausgesetzt ist (z.B. Chemikalien), ist dies für die Diagnose und Behandlung relevant.
  • Aktuelle Probleme und Fragen der*s Patient*in: Der Anamnesebogen ermöglicht es dem Patienten, aktuelle Probleme und Fragen zu notieren, die er dem Arzt mitteilen möchte.

Ein detaillierter Anamnesebogen ist entscheidend, da dieser dem*der Ärzt*in hilft, ein umfassendes Bild von der Gesundheit und den Bedürfnissen der*s Patient*in zu erhalten. Diese Informationen sind notwendig, um eine genaue Diagnose zu stellen, eine geeignete Behandlung zu planen und sicherzustellen, dass die*der Patient*in die bestmögliche medizinische Versorgung erhält. Jedoch kann es immer sein, dass die Anamnesebögen einfacher und kürzer gehalten sind, damit Patient*innen nur die absolut wichtigsten Informationen bei der ersten Aufnahme abgefragt werden. Die anderen Informationen ergeben sich dann aus dem Gespräch zwischen Ärzt*in und Patient*in.

Der Anamnesebogen in der Psychotherapie

Der Anamnesebogen in der Psychotherapie weist eine Besonderheit auf, da dieser, wenn Therapeut*in und Patient*in sich dazu entschließen eine Therapie zu beginnen und probatorische Sitzungen stattgefunden als das auch ein Therapieplatz zur Verfügung steht. In diesem Anamnesebogen werden aber auch Punkte behandelt, die für die Therapie relevant sind. Welche Beschwerden belasten die*den Patient*in am meisten? Wie lange geht das schon? Es ist wichtig, dass Patient*innen ihre individuellen Wünsche und Ziele selbst äußern, denn Psychotherapeut*innen können diese nicht einfach vorgeben. Dies gehört zum patient*innenseitigen Interesse, eine Therapie mitzumachen und auch an den eigenen Verhaltens- und Denkweisen zu arbeiten. Dies kann sonst dazu führen, dass die Therapie erfolglos abgebrochen wird. Der Anamnesebogen unterstütz den*die Therapeutin zusätzlich nach den Gesprächen mit der*dem Patient*in um vor Therapiebeginn den notwendigen Bericht und die Diagnose an die Krankenkasse zu stellen.

Wie gestalte ich einen Anamnesebogen genderneutral?

In erster Linie ist es wichtig, dass an allen Stellen, wo das Wort „Patient“ oder „Patientin“ auftaucht, was die jeweils gegenderte Form des Wortes ist, angepasst wird. Beispielsweise könnte der Bogen einfach „Anamnesebogen“ heißen und die Überschrift „Angaben zur Person“

Wenn es zu unpersönlich erscheint, kann auch über inklusiv gegenderte Anreden wie „Patient*in“ benutzt werden. Hierbei wird der Genderstern empfohlen, da dieser zum einen in der queeren Community am häufigsten benutzt wird als auch von mehreren offiziellen empfohlen wird. Der Blinden- und Sehbehinderten Verband Deutschland empfiehlt, falls genderneutrale Formulierungen nicht möglich sind, ebenfalls den Genderstern zu benutzen, da dieser am besten zu erkennen ist und somit für Lesende auch eindeutig klar ist, was mit dem Zeichen impliziert wir. Textreader, wie ihn einige Menschen benutzen, machen eine Pause, ähnlich dem Glottisschlag in der verbalen Sprache.

 

Inklusive Anamnesebögen zum kostenlosen runterladen!

Queermed bietet aktuell für die Fachbereiche “Allgemeinmedizin”, “Gynäkologie” und Psychotherapie – Verhaltenstherapie kostenlose Anamnesebögen zum herunterladen und benutzen. Wir bitten darum, im Idealfall auf die Anamnesebögen zu verweisen.

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